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unbekannt: Die Frau

Güte ist kein Enthusiasmus mehr für höhere Zwecke, sondern nur vernunftlose Schwäche, Seelenstärke nur Geistesermattung und Indolenz. Die Flügel der Einbildungskraft tragen nicht mehr über die engen Grenzen der Gegenwart und Selbstliebe aufwärts zu dem Streben nach Vervollkommnung und Veredlung. Der Begriff von Recht und Unrecht fehlt jedem Urtheile. Die alles erhebende, heilige Religion erweckt nicht mehr das Handeln nach dem hohen Ideale der Menschen-Bestimmung, ihr Gebet ist nicht mehr die Frucht der Gottesanbetung und Ehrfurcht, nur die der Furcht.

Lernen und erfahren, was Andere vor uns gewußt und gesammelt haben, ist gewiß nützlich und lobenswerth. Allein, um es praktisch zu machen, muß es dem rechten Sinn, dem Nachdenken übergeben werden, sonst sinkt das Wissen zu einer gemeinen Mechanik herab. Nur immerwährendes Nachdenken über Alles, das Unscheinbarste in und außer uns, kann Mannigfaltigkeit der Ideen, Harmonie des Ideales und Wissens, so wie die moralischen Kräfte zur Ausgleichung der Gefühle mit der Vernunft wecken.

Der Gedanke selbst an und für sich ist etwas Unwillkürliches, mit dem Augenblicke entfliehend,

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unbekannt: Die Frau. Carl Winiker, Brünn 1859, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Frau_anonym_1859.djvu/4&oldid=- (Version vom 21.11.2023)