daß sich hier Damen des ältesten Adels über Fragen echauffierten, die dort nur zwischen Advokaten, Bummlern und Philosophen Rededuelle hervorrufen. Ich wäre mir mehr als überflüssig vorgekommen, wenn es mich nicht gereizt hätte, die jungen Amazonen mit allen Zaubermitteln der Galanterie der Waffen zu entkleiden und ihnen Rosen in die Hände zu spielen. Meine Bescheidenheit verbietet mir, das Resultat zu schildern. Ihnen, reizende Delphine, überlasse ich, es sich auszumalen. Kämpft doch auch in Ihnen die streitbare Kriegerin mit der hingebenden Nymphe.
Wie haben Sie mich mißhandelt! Und wie wenig haben Sie die Wunden, die Sie schlugen, zu heilen gewußt. In den hohen Räumen ihres schrecklichen alten Schlosses, zwischen seinen steifen Stühlen und dunklen Schränken erschienen Sie unnahbar, feierlich. Ihre Lippen waren bleich, Ihre Blicke abweisend, Ihre Hände eiskalt. Schloß sich die eisenbeschlagene Pforte hinter Ihnen und Clarisse und mir und waren wir erst weit draußen im sonnendurchglühten Park, – unerreichbar für das Auge der alten Marquise, für die Stimme des Herrn Marquis –, dann kehrte wohl das Leben in Ihre Marmorglieder zurück, – aber nicht ich durfte mich einen Prometheus preisen, der es einhauchte –, dann lachte Ihr Auge wieder, aber es lachte nicht mir Trotzdem ist mir jeder Augenblick unvergeßlich, den ich mit dieser Delphine
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/066&oldid=- (Version vom 31.7.2018)