angegebenen Stunde bei Ihnen sein. So habe ich
nicht umsonst gelitten, gehofft und – gesündigt!
Teuerste Marquise. Meine Forderung an den Marschall ist abgesandt und ich erwarte seine Antwort mit jener Ruhe, die nur der Mensch empfinden kann, dem selbst der Tod gleichgültig ist. Ach, wie flog ich zu Ihnen, von kühnster Hoffnung beschwingt, wie liebeglühend warf ich mich nieder vor Ihnen, als ich ihre Tränen sah und sie zu meinen Gunsten deutete! Sie aber sprangen auf und stießen mich zurück, und wilder Zorn, nichts als Zorn, brannte in Ihrem Antlitz, als sie mir des Marschalls Brief vor die Füße warfen.
„Rächen Sie mich –“, ich erkannte Ihre Stimme nicht wieder, als Sie mir, heiser vor Erregung, diese Worte zuriefen. Und ich Betörter fühlte, während ich las, nur das Eine: daß Sie mich gerufen hatten, daß ich Ihnen dienen durfte, daß ich des köstlichsten Lohnes dafür sicher sei! Bis ich aus dem Traum gräßlich erwachte, bis ich endlich verstand, – verstehen mußte, daß ich nicht einmal besaß, wessen der letzte Ihrer Diener sich rühmen durfte: Ihre Achtung.
„Ein Vaterlandsverräter!“ Darum also haben Sie sich von mir gewandt, während ich glaubte, Sie mit Prunk und Glanz gewinnen zu können O,
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)