Vielleicht, – und diese Hoffnung stärkt meine Kraft für den kommenden Kampf –, läßt er Dich frei, wenn er einen Erben nicht mehr braucht!
Unsere Korrespondenz wird erschwerter sein denn je. Meine offene Gegnerschaft zu der politischen Stellung des Marquis wird über dem schmalen Landstrich, der Montbéliard von Montjoie trennt, ihre Wirkung haben, seinen Zorn gegen mich also noch steigern. Kannst Du mir nachempfinden, Geliebteste, daß mich diese Gegnerschaft innerlich befreit? Mag kommen, was da will, wir bleiben vereint, auch wenn wir einander unerreichbar erscheinen. Verstummen zu können, ohne sich zu verlieren, ist ein Prüfstein der Liebe.
Daß auch Sie uns verlassen konnten, schönste Delphine Denn diesmal ist es ein Verlassen! Die Königin, die sich bei der letzten Audienz wahrhaft königlich benahm, – sie lächelte Ihnen zu, als Sie kamen, sie legte Ihnen mit eigenen Händen die Kette mit ihrem Bildnis an, die Ihnen beweisen sollte, daß die Haltung des Marquis nicht als die Ihre empfunden wurde, sie flüsterte beim Abschied „Auf Wiedersehen!“ –, und warf sich aufschluchzend in die Arme der Lamballe, als die Türe hinter Ihnen zufiel.
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/415&oldid=- (Version vom 31.7.2018)