in der Tasche. Im Übrigen ist sie davon überzeugt, Julie fasse die Situation zu tragisch auf.
Es ist ja nicht das erste Mal, daß sie, die alte Nanon, den postillon d’amour abgab, und bis jetzt waren alle die kleinen, durch sie vermittelten Liebesabenteuer immer ganz glatt abgelaufen – besonders bei sehr großen Damen.
„Madame ist grausam!“ sagt sie.
„Ja, ich bin grausam, grausam gegen mich, der ich die Freude versage, ihn wiederzusehen,“ murmelt Julie bitter – „unbarmherzig grausam!“
„Der Vicomte de Letorière ist ein ritterlicher und ehrenvoller Edelmann, zu dem Eure Hoheit wohl Vertrauen hegen darf.“
„Was meinst Du?“ Julie sieht auf zu der Alten … versteht sie nicht ganz.
„Nun …“ Die Nanon räuspert sich dann, und mit einem einschmeichelnden Augenblinzeln sagt sie: „Nun, ich meine, daß ich an Stelle Eurer Hoheit großmüthig sein und dem Herrn das Opfer einer kurzen und, da es nun leider nicht anders sein kann, heimlichen Unterredung, gönnen würde.“
Ossip Schubin: Etiquette. Paetel, Berlin 1887, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Etiquette_Schubin_Ossip.djvu/77&oldid=- (Version vom 31.7.2018)