„Für die Ausnahmsmenschen ja, – fürs Gros mag’s natürlich gelten.“ Sie warf ein wenig den Kopf in den Nacken und richtete sich auf.
„Ich bin kein Ausnahmegeschöpf, ich bin vom Gros, gut und gern,“ sagte er, während seine Stirn sich röthete, „ich bin ein einfacher Arbeiter. Ich mache keine Ansprüche, dem Wissenschaftler ist diese Vorstellung fremd. Sein weiterer Blick läßt ihn auch seine Stellung klar übersehen. Sie stehen auf dem ästhetischen Standpunkt, Ihr Gesichtswinkel ist der des Künstlers. Ich kann nicht umhin, Ihnen mitzutheilen, daß die Tage dieser einst bevorzugten Kaste gezählt sind. Sie entsprechen einer niederen Kulturstufe und werden dahin gehen wie so viele andre schöne und bestechende Erscheinungen.“
Die Malerin forschte in seinem Gesicht; als noch immer kein Muskel zuckte, schlug sie in die Hände und brach in ein herzliches Gelächter aus.
Sie vernahm dazwischen sein wiederholtes: „Ja, ja,“ das sie immer von neuem reizte; endlich fand sie Worte: „Und das freut Sie? O Sie bescheidener Jünger der bescheidenen Wissenschaft.“
Er zuckte die Achseln und sah etwas säuerlich drein. „Es freut mich ganz und gar nicht, aber wir werden den Gang der Entwicklung nicht ändern.“
„Aber wir vielleicht!“ warf sie mit aufblitzenden Augen ein.
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/120&oldid=- (Version vom 19.8.2019)