„Na, was hat sie denn angestellt, so erzählt doch.“
„Ach – sie – Frau Wagners Tante war nämlich hier wo auf dem Lande, in einem Nest, und da war die auch – eine alleinstehende Person – malte da die Leute um ein billiges Honorar – sie war, wie gesagt, ganz untergeordnet – und die Baronin – ich weiß nicht, wie sie noch heißt – hatte ihr aus Gnade und Barmherzigkeit freie Wohnung gegeben, wirklich nur aus Gefälligkeit gegen ein paar Bekannte, die sich da malen lassen wollten. Aber man kann in solcher Lage nie vorsichtig genug sein, nie, nie, nie!“
„Hat sie das Haus angezündet, oder der Baronin einen zu großen Mund gemalt? Auf etwas Fürchterliches darf man gefaßt sein.“ Richard hatte einen seltsam gespannten Ausdruck im Gesicht, etwas Feindseliges, Widerwilliges.
„Nein, nein, sie hatte ganz plötzlich Herrenbesuch, und zwar zu einer Zeit –“
„Bitte!“ rief er ungeduldig.
„Nun, was ist da weiter zu berichten? Am andern Morgen machte man ihr einfach den Standpunkt klar, sie mußte sofort abziehen – dergleichen konnte doch die Baronin unmöglich dulden! Oder sind Sie vielleicht anderer Meinung, lieber Doktor?“
„Wissen Sie den Namen der – Sünderin?“
„So etwas wie Berg oder Berth, ein ganz unbekannter Name, beruhigen Sie sich! Gott, es ist ja
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/162&oldid=- (Version vom 19.8.2019)