„Und er irrt sich sehr, wenn er glaubt, wir ließen uns das so schlankweg gefallen! Toni, mein armes, süßes Kind, verdirb Dir die Augen nicht, ich zieh’ mich an und gehe sofort zum Advokaten!“
Aber dann erschienen die Wagners und plauderten viel, und als sie gingen, hielt Mama ein Papierblatt in der Hand, daß sie der Kuriosität wegen mitgebracht hatten, und neben sich hatte sie Richards Brief gelegt und blickte prüfend hinüber, herüber. Ein verständnißvolles Aufleuchten, ein ironisches Mundwinkelzucken, ein optimistisches Lächeln, das war das Resultat. Toni lag derweil mit einem nassen Stirnumschlag auf dem Bette im Alkoven. Sie seufzte, als sie der Mutter Schritt auf der Schwelle hörte.
„Seufze nicht, Toni, und vor allen Dingen weine nicht mehr! Wer gibt Dir nachher etwas dafür? Ich glaube – nein, nicht aufrichten! – ich habe dieses Räthsels Lösung entdeckt, und es wird doch alles gut werden!“ So entschlossen und zuversichtlich!
„Ein Räthsel? Höchstens, daß er noch bis zum letzten Tage so nett mit mir war, sonst wüßt’ ich keins! Ja, Mama, den letzten Nachmittag sagte er noch, er wäre mein treuer Verlobter und Gatte!“ Ein lauter Thränenausbruch.
„Siehst Du! siehst Du! das stimmt vollständig mit meiner Entdeckung!“ triumphirte Mama. „Kind, ich habe morgen einen schweren Gang vor, aber ich hoffe –“
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/167&oldid=- (Version vom 31.7.2018)