„Jetzt sehen Sie mich mal an, Fräulein, thun Sie, als ob ich ihr Augenarzt wäre.“
Aber sie verzog schmerzlich den Mund. „Lassen Sie mich in Ruh, mein Kopf ist wüst.“ Sie griff sich an die Stirne.
„Was hat Ihnen der unverschämte Mensch gethan?“ fragte er in sanft liebkosenden Ton.
„Ach, ich mag nicht.“
„Soll ich denn gar kein Recht haben, mich mit Ihnen zu ärgern?“ flüsterte er, über ihre Hände gebeugt.
„Da waren drei Damen,“ begann Lore Berth; plötzlich stürzten ihr wieder Thränen aus den Augen, sie machte ihre Hände los und sprang von dem Sitz auf, um wegzulaufen.
Auch Richard stand auf, ganz verstört und rathlos. „Wollen Sie mich denn durchaus jetzt los werden? Soll ich weggehen?“
„Ja,“ murmelte sie abgewandt.
Er griff nach seinem Mantel, zog aber gleich wieder die Hand zurück.
„Nein,“ sagte er herzlich, „ich thu’s nicht. Ich will wissen, was man Ihnen angethan hat. Und Sie sollen davon sprechen, desto eher werden Sie’s überwinden.“ Er streckte die Hand aus. Lore setzte sich auf den ersten besten Stuhl, ohne seine Hand zu beachten.
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/198&oldid=- (Version vom 19.8.2019)