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„Wenn Du so rothe Backen hast, kann niemand gegen Dich aufkommen.“

„Ah, ich bin ja nur ein schwarzer Zwerg“, wehrte Annita, „aber ich bleibe den ganzen Tag hier, und es soll so lustig werden, wie noch nie.“

Adelheid war fast ein Jahr älter als die Freundin, aber sie waren von je Mitschülerinnen gewesen. Sie häkelten dieselben Spitzen, schwärmten für denselben Literaturlehrer, trugen dieselben gestickten Theeschürzchen und aßen von demselben Schneeball, wenn sie gelegentlich, hinter einem Pfeiler versteckt, in der Konditorei von Homann den Empfangstag monatlichen Taschengeldes feierten.

Sie hatten auch schon zusammen geweint, am meisten, wenn Adelheids Mama „ungerecht“ war und ihr nicht erlauben wollte, in den Wochentagen zu lesen. „Schon wieder das Buch vor der Nase! Herrjes, Kind, hast Du denn gar nichts Besseres vorzunehmen?“ Dann war Annita noch trauriger und empörter als ihre Freundin, und ein paarmal hatte sie schon Worte gegen Frau Severin auf der Zunge gehabt, – Worte – – aber sie hatte sie zum Glück wieder verschluckt, um sich im Leseklub, den die Mama erlaubte, mit Heftigkeit auszusprechen.

„Wißt Ihr was? Ich habe einen Satz von Jean Paul gefunden, darin sagt er, die Frauen hätten ein verwachsenes, verkochtes, vernähtes Leben! Solche

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Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/210&oldid=- (Version vom 31.7.2018)