die Königstraße hinabwandern, kein größeres Vergnügen, als so vor allen Schaufenstern stehen zu bleiben, zu gucken, zu schweigen und endlich sich schmunzelnd zuzuflüstern: „Das wären jetzt Schüh’le für d’ Lotte, – die goldige da, gelt, herzig sind’s?“ „G’rad wollt’ ich’s sagen! Aber guck emal da, die nette Blumeg’schirrle, – jetzt wenn die Lotte – .“ „Und hier hascht alle mitenander, de Mozart mit seim wundervolle G’sichtle und seim Nackezopf, de Beethoven mit eme große, wilde Lockehaar und em Titanetrotz, de Händel wie e Staatsminister, de melancholische Schubert, de Mendelssohn, – lebensgroße Photographien Das wäre eppes – .“ „Aber de Haydn g’seh i net? Wo ischt au der Haydn? I möcht geh’ frage, warum daß der Haydn net da ischt! Aber es lohnt net, – es würd so e Mordsgeld koschte!“ Und dann unterhielten sie sich, was für ein Gefühl das sein müßte, wenn man immer gleich so hineingehen und kaufen könnte, was einem gefiele. Natürlich für das Kind, denn für sich selbst waren sie so anspruchslos, daß ihnen das knappe Geldchen, das der Souffleur-Posten eintrug, gewiß genügt hätte. Aber die Lotte! Ein einziges, liebes, begabtes Kind von zwanzig Jahren, – für wen sind denn eigentlich alle schönen und reizenden Dinge in der Welt, wenn nicht für solche Lotten? Nun, es hatte ja Glück gehabt, das Kind, da sich ein Mann wie der für ihre Stimm interessirt, – der
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/286&oldid=- (Version vom 31.7.2018)