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Frau bekomme, die mir auch einmal etwas zutragen kann. Mit den Kollegen hat man ja doch nichts als Fachsimpelei. Bin neugierig, ob Toni den Mörike kennt! Ich wette, nein. Muß ihn aber lesen und dann – – Ach ja, das Wiedersehen mit dem kleinen Schatz wird recht anders werden, als bei dem naiven, blutwarmen, schalkhaften Dichter! Ehe die blonden Löckchen, die ich so liebe, nicht alle schön gekräuselt sind, kommt das Kind gewiß nicht zum Vorschein, und da Mama das Frühaufstehen schon ein paar Mal mir gegenüber als eine Angewohnheit der ‚niederen Klassen’ bezeichnet hat, so darf ich keinesfalls vor zehn Uhr an ihre Thüre klopfen. Gut, daß ich den weiten Marsch vor mir habe, das wird meine Sehnsucht zerstreuen und mich rechtschaffen müde machen. Vielleicht schlaf’ ich selbst bis in den hellen Morgen hinein, und die Stunde ist da, eh ich’s gedacht.“

Wohlgemuth schritt er weiter, immer dem Seeufer entlang, umfächelt von dem Duft ungesehener Gärten, denn der Julitag war nun ganz verglommen. Als er in den Wald eintrat, hauchte ihm unter den dichten Schirmkronen der Kiefern und Buchen erstickende Schwüle entgegen, er mußte den Schritt verlangsamen. Aufathmend stand er dann unter den letzten Bäumen des Forstes über Starnberg und sah das grüne Licht des Salondampfers wie ein langsam kriechendes Glühwürmchen über den dunkeln See ziehen.

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Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/90&oldid=- (Version vom 19.8.2019)