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Brautgesang.

Erst streift’ ich dir heimlich, von Schauern durchzückt,
     An des Kleides duftendem Saume,
Dann wurde dir leise die Hand gedrückt,
     Und du sah’st mich steh’n wie im Traume.

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Und einst in der Nacht, zu verschwiegener Stund’,

     Da hab’ ich dich bebend umfangen
Und küßte mit stummem, seligem Mund
     Deine heißerglühenden Wangen.

Drauf schiedest du weinend in fremdes Land,

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     Und ich träumte an einsamen Orten;

Doch wie ich nach Monden dich wiederfand,
     Da war ich zum Jüngling geworden,

Und blickte dir kühn in der Augen Licht,
     Umfieng dich mit Quälen und Kosen,

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Und preßte mit brennendem Angesicht

     Deines Busens knospende Rosen.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)