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„„Klein Waltraut ist ein Grafenkind,
Ihr Sinn so wild und leicht wie Wind.

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Ich war ein Ritter wohlbekannt,

Nach ihrem Leib in Lieb’ entbrannt.

Sie war in einer Nacht mir hold,
Mein goldner Hüftdolch war ihr Sold.

Doch bei des Morgens früh’stem Grau’n,

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Da ließ sie diesen Galgen bau’n;


Und als die Sonn’ vom Berge schien,
Da gab sie mich dem Henker hin,

Und lachte: Der lebt nicht am Tag,
Der Nachts bei klein wild Waltraut lag!““

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     Die Todten reden leise.


„Und du mit Haaren braun und schlicht,
Was brachte dich auf’s Hochgericht?“
     Die Todten reden leise.

„„Ich kam, ein Kaufherr, über Rhein,

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Und wollt’ um Waltraut’s Minne frein,


Und für ein güldnes Halsgeschmeid
Ließ sie mich ein zu nächt’ger Zeit;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_158.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)