Der Hausherr hatte mich, als wir nach dem Abendessen aus dem Speisesaal kamen, auf das Bild, das ihm das Lieblingsgemälde seines Hauses war, aufmerksam gemacht. Und ich hatte mich einen Augenblick auf eine Sessellehne gestützt und hatte meinen Körper am Sessel verlassen und war mit meinem Geist durch den Rahmen des Bildes aus dem Haus, aus dem Land weit fort gegangen und an den Meerrand getreten. Als wir dann später im Bibliothekzimmer um den runden Tisch saßen, war es, wie ich es eben beschrieb. Das Bild kam immer wieder zu mir. Es hob die Wände der Zimmer fort. Die Ruhe der beleuchteten Nebensäle wurde zur Ruhe des Weltmeeres, das gedämpfte Licht in den Räumen zur Ruhe des Himmelslichtes über den Urwassern.
So wußte ich, als ich mechanisch aufgestanden war und der Hausherr mit einigen Gästen das Zimmer verließ, bald nicht mehr, was Wirklichkeit und was Unwirklichkeit war.
Es stand eine weite gedämpfte Festlichkeit um mich, von der ich mich halb nicht trennen konnte, und halb wieder getrennt fühlte, da diese Festlichkeit nicht mir gehörte. Denn es war die Festlichkeit der Schmerz und Freude ausgleichenden Todesstunde, die aus den
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/135&oldid=- (Version vom 31.7.2018)