Es war ein ziemlich harmloser Ehebruchstraum. Da ich gar nicht für Vielweiberei veranlagt bin, erstaunte mich der Traum, und ich mußte am Morgen ein kleines Gedicht darüber schreiben. Das Gedicht schilderte ein paar Tanzschritte, die ich im Traum mit Claudia tanzte. Sie war vom Hals bis zum Fuß in einen weißen Seidenschal schlank eingewickelt, und wir hielten uns zum Tanz nah, und dabei sahen Claudias Augen, jene unbeschreibbaren Augen, unerbittlich in mich hinein. Ich fand auch in jenem Gedicht wieder keinen zutreffenden Vergleich für diesen Blick, sondern nur den ganz blöden romanhaften, daß Claudias Auge ähnlich einer Messerklinge war, die auf schwarzem Samt liegt.
Dieser Vergleich mag mir deshalb gekommen sein, weil Claudia einmal in einer zornigen Aufwallung ein spitzes Messer nach ihrem leichtlebigen Gatten geschleudert hatte. Dieses Messer sauste damals, ich weiß nicht, ob ich sagen soll zum Glück oder zum Unglück, an dem sich behend Duckenden vorbei, blieb aber senkrecht wie ein Stahlpfeil im Türbrett stecken, wo es noch eine lange Weile zitterte.
Nur deshalb verzieh ich mir in dem Gedicht jenen romantischen Vergleich. Aber
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/147&oldid=- (Version vom 31.7.2018)