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Heiligen auf glasgemalten italienischen Kirchenbildern des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts findet. Ein elastischer Jünglingskörper, von einem schwärmerischen Geist wie von einer blauen Flamme durchwallt. An ihm war nichts von der durch Sport und Gedankenzucht straffen Jungemännerschönheit, die jetzt im nördlichen Europa den altmodischen, altchristlichen Schönheitstypus verdrängt.

Es war rührend zu sehen, wie der junge, schwarzgekleidete, schmale Mensch jetzt eben ein Lied zu singen anhob, einen gewöhnlichen italienischen Gassenhauer, den er sicher noch nie in anständiger Gesellschaft gesungen hatte, und den er mit einer einfältigen Andacht vortrug, als handele es sich um eine Heldensage. Und dies alles nur deshalb, weil Ulrike den jungen Mann bereits entgeistert hatte. In seinem Herzen sang er sicher ein hohes Lied festlicher Liebesanbetung vor ihr. Davon trug sein Gesicht den andächtigen Ausdruck. Aber sein Mund mußte einen Gassenhauer hinsingen, weil die ungeduldige Ulrike nur Straßenkunst hören wollte.

Neben dem jetzt singenden Studenten spielte ein anderer junger Mann eine Mandoline, die

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/307&oldid=- (Version vom 31.7.2018)