Häcksel konnte gut schweigen. Wenn ihn manchmal der Gedanke lockte, seinen Kameraden von dem Fund zu erzählen, so hustete er sich schnell und heftig den Sprechreiz aus Brust und Kehle fort.
Das Bergwerk lag in der Nähe eines oberbayrischen Sees, in den Vorbergen der Alpen, und eine kleine Bummelbahn führte von dort an den Dörfern vorüber bis München. In mancher Nacht, wenn Häcksel daheim in seiner Hütte die alten Silbergulden mit gepulverter Kreide blankputzte, nahm er sich vor, am nächsten Tag hinein nach München zu fahren und das Geld bei einem Wechsler in Markstücke umzutauschen. Aber er hatte sich fest vorgenommen: zum Leben wollte er nichts von diesem Geld ausgeben. Das Geld sollte nur für sein Begräbnis ausgegeben werden. Denn der Todesgedanke war Häcksels Lieblingsgedanke. Er sagte sich immer, vom Tod könne er nur das Beste erwarten. Vor allem erwartete er vom Tod Gesundheit. Wenn er diesen kranken, elenden, ewig hüstelnden Körper abgelegt hätte, dann würde er gesund auferstehn, meinte Häcksel. Es stand fest und klar in ihm, daß er mit seinem Tod ein neues und gesundes Dasein beginnen würde.
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/87&oldid=- (Version vom 31.7.2018)