Seite:De Heimatlos (Spyri) 049.jpg

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Postwagen ins Tal hinunter gefahren, ein solches Glück hätte er nie für sich möglich gehalten. Aber was konnte er dem Kutscher geben?

„Ich habe gar nichts als eine Geige, und die kann ich Euch nicht geben“, sagte der Rico traurig nach einigem Besinnen.

„Ja, mit dem Kasten wüßte ich auch nichts anzufangen“, lachte der Kutscher. „Komm, nun sitzen wir auf, – und du kannst mir ein wenig Musik machen.“

Rico traute seinen Ohren nicht; aber wahrhaftig! der Kutscher schob ihn über die Räder auf den hohen Sitz hinauf und kletterte nach. Die Reisenden waren wieder eingestiegen, der Wagen wurde zugeschlagen und nun ging's die Straße hinunter, die bekannte Straße, die Rico so oft sich von oben her angeschaut und verlangt hatte, da hinunter zu kommen. Nun war die Erfüllung da und in welcher Weise! Hoch oben zwischen Himmel und Erde flog der Rico dahin und konnte immer noch fast nicht glauben, daß er es selber sei.

Den Kutscher wunderte es nun doch ein wenig, wem denn das Büblein neben ihm gehören könnte.

„Sag mir einmal, du kleine, fahrende Habe, wo ist denn dein Vater?“ fragte er nach einem festen Peitschenknall.

„Der ist tot“, antwortete Rico.

„So, und wo ist deine Mutter?“

„Die ist tot.“

„So, und dann hat man noch etwa einen Großvater und eine Großmutter, wo sind diese?“

„Die sind tot.“

„So, so, aber etwa einen Bruder oder eine Schwester hast du ja sicher; wo sind die hingekommen?“

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_049.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)