wie schlecht hatte ich bisher ihre Treue gelohnt! – ach, und wie ernst und verhärmt sah sie aus! Als aber das Schwesterchen hereinsprang, hob ich sie auf den Schoß und flüsterte in ihr rosiges, von lauter Goldlöckchen umspieltes Ohr: „Du – ich weiß was ganz Heimliches: heut nacht tanzten die Nixen mit dem grauen Schloßzwerg, bis er vor lauter Atemnot auf den Rasen plumpste. Ich glaub’ immer, da liegt er noch und schnarcht, und die Nixen haben vor Lachen den Heimweg ins Wasser vergessen. Komm schnell hinaus, – am Ende sehn wir sie noch!“ Sie jubelte hell auf vor Freude, und richtig, – zehn Minuten später waren wir unten am See.
Klein-Ilschen suchte – ich aber war still und ernst geworden und sah hinüber zum fernen jenseitigen Ufer: sollte das Glück, das mir dort begegnet war, auch nur ein nächtlicher Spuk gewesen sein? – Wir fanden die Nixen nicht – Klein-Ilschen war böse. Wie wir langsam heimwärts gingen, kam ein Reiter uns entgegen, – ich wagte kaum aufzusehen. Doch schon war er neben mir und hielt den Fuchs am Zügel. „Willst du reiten, Kleine?“ sagte er und hob das Schwesterchen, dessen Leidenschaft Pferde waren, in den Sattel. Still gingen wir weiter, unsere Augen aber versenkten sich ineinander, tief, immer tiefer, – bis sie Gewißheit hatten und auch im fernsten Winkel der Seele nichts Lebendiges fanden als nur das eigene Bild.
„Die Nixen waren weg,“ sagte das Schwesterchen zu Hause zu Mama, „aber Prinz Hellmut ließ mich reiten!“
„Prinz Hellmut?!“ Ein rascher mißtrauischer Blick
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/285&oldid=- (Version vom 31.7.2018)