hörten wir plötzlich neben uns sagen. Aufatmend standen wir still, – wir hatten wirklich das strenge höfische Walzerverbot vergessen! Im gleichen Augenblicke trat der Kammerherr der Großherzogin auf uns zu: „Ihre Königliche Hoheit befehlen –“
„Mich auch?“ frug Hellmut. Er senkte bejahend den Kopf, während ein leises malitiöses Lächeln seine Lippen kräuselte. Sollte die schöne Fürstin so konventionell sein und unser Vergehen gar noch persönlich rügen wollen?
„Sie tanzen bezaubernd, – ich mache Ihnen mein Kompliment, Fräulein von Kleve!“ sagte sie laut, als ich in tiefer Verbeugung ihre Hand an die Lippen zog. „Die mecklenburger Damen können sich ein Beispiel nehmen!“ Die Umstehenden horchten hoch auf.
„Tanzen Sie noch einmal denselben Walzer, lieber Prinz, den man offenbar nur verbietet, weil man ihn zu tanzen nicht versteht.“
Wie auf Kommando bildete sich ein weiter Kreis um uns. Und wir tanzten. Aber ich fühlte die vielen musternden, neidischen, feindseligen Blicke, die mich betasteten, wie mit feuchtkalten Fingern, und durchbohrten, wie mit Nadelstichen. Ein Schwindel packte mich – fester, immer fester lehnte ich mich in Hellmuts Arm – er trug mich mehr, als daß ich tanzte.
„Führen Sie Ihre Tänzerin auf die Terrasse, – das wird ihr gut tun –“ sagte die Großherzogin, als ich mich blaß und zitternd wieder verbeugte. Ein Ton war in ihrer Stimme, der mich auffahren ließ, – hatte sie unser Geheimnis erraten?
Wir gingen hinaus. Viele bunte Lampions erhellten die Terrasse und den Burggarten, plaudernde Gruppen
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/289&oldid=- (Version vom 31.7.2018)