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als dem einzelnen, der mit taktloser Großspurigkeit auftrat, oder – dessen Adelsdiplom nicht ganz reinlich erschien. Hier herrschte noch vollkommenste Exklusivität, – ein Bürgerlicher, ein Neugeadelter war nicht gesellschaftsfähig, und dies ungeschriebene Gesetz wurde den Einheimischen gegenüber am strengsten gehandhabt. Eine Organisation westfälischer Damen, die angesichts des Gleichheitstaumels der französischen Revolutionsepoche gegründet worden war, konnte über Sein und Nichtsein entscheiden. Ihre Feste waren unter dem Namen der Bälle des Damenklubs weit und breit berühmt und – gefürchtet. Wer dazu nicht geladen wurde, war ein- für allemal boykottiert; rückhaltlos gesellschaftlich anerkannt war nur, wer auch bei den intimen Veranstaltungen nicht fehlte. Der Klub hatte die Macht, Mitglieder des westfälischen Adels, die sich irgend etwas hatten zuschulden kommen lassen, durch geheime Abstimmung auf Monate oder Jahre von allem Verkehr mit seinen Standesgenossen auszuschließen.

Die Rücksicht auf diese tiefwurzelnden Auffassungen – spukte nicht hier sogar die Erinnerung an die Vehme? – führte zu merkwürdigen Konsequenzen: man hatte zwar durchgesetzt, daß auch die nicht adeligen Offiziere nicht völlig von der Geselligkeit ausgeschlossen wurden, aber sie wurden nur zu großen Bällen gebeten und hätten es auch dort kaum wagen dürfen, eine westfälische Dame zum Tanz zu führen. Die vierten Kürassiere und die sogenannten Papst-Husaren aus Paderborn, – Regimenter, so vornehm wie nur irgend eins der Garde, in die nicht einmal ein unadliger Einjähriger Aufnahme fand, – waren die allein ‚hoffähigen‘. Und so war es

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Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/363&oldid=- (Version vom 31.7.2018)