den Ausgangspunkt allen Heils, sondern im Kampf gegen Not und Unterdrückung.
„Es ist eine Lust, zu leben, wo alles sich rührt, und alles wächst, – dem gleichen Himmel zu, ob auch die Wurzeln im verschiedensten Erdboden stehen,“ pflegte Glyzcinski zu sagen. Und wenn ich ungeduldig seufzte: „Könnten wir nur den Anfang der künftigen Ordnung der Dinge noch erleben,“ so antwortete er: „Aber wir sind ja schon mitten darin!“
Tatsächlich schien diese eine Bewegung mit einer ungeheuern magnetischen Kraft alles an sich zu ziehen. Die Wissenschaft trat in ihre Dienste, die Kunst schmiedete Waffen für sie. Was waren Hauptmanns „Weber“ andres, als ihr dröhnender Schlachtgesang?! Jener Fanatismus, der nichts sieht als sein Ziel, der ihm entgegenstürmt mit blutenden Füßen und keuchendem Atem, die stillen Stege nicht kennt, die abseits von seinem Wege auf duftende Blumenwiesen, in dämmernde Wälder und hoch auf die Berge der weiten Ausblicke führen, den kein Ausruhen lockt im Schatten der Dorflinde und der Kirchenpforten, – derselbe Fanatismus, der die ersten Christen zwang, die weißen Marmorleiber heidnischer Götter in die pontinischen Sümpfe zu werfen, hatte von mir Besitz ergriffen.
Und meine Seele schloß leise, daß keiner es merkte, die Pforte der Kammer zu, hinter der lebte, was zu tiefst mein Eigen war.
Fast wie eine Störung empfand ichs, als Sindermann mich zur Vorlesung seines nunmehr vollendeten Dramas einlud. Aber war er nicht auch einer, der mit uns kämpfte?
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/566&oldid=- (Version vom 31.7.2018)