Wir verbrachten herrliche Tage miteinander und als mir der Arzt rieth, das Hochgebirge aufzusuchen, um meine schwachen Nerven zu kräftigen, schied ich zum erstenmal ungern aus der Großstadt, aus der ich sonst mit rasender Eile flüchtete, wenn der Hochsommer herankam.
In Korrespondenz standen wir beide nicht miteinander.
Nur einmal schrieb mir Ernst, kurz bevor ich zurückkam. Sein Brief war herrlich, aber er klang traurig aus.
Eine Todesnachricht!
Vilma, seine Cousine, eine schlanke, ästhetische Schönheit, hatte der Tod hinweggerafft.
Sie starb, kaum zweiundzwanzig Jahre alt, am Fuße eines großen, schweigsamen Berges.
Ich kannte den trotzigen, zerrissenen Gipfel; über die Nordseite war ich einst zu dem furchenreichen Haupte emporgeklettert, seine steinernen Hüften mit brutaler Gewalt umklammernd mit sehnigen Armen, die braunen, breiten Knie an die granitne Brust gestemmt.
Dort unten war Vilma gestorben!
Ich spann wirre Märchen. Ich sah den alten Berggeist lüstern wie einen Faun nach dem zarten
Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/025&oldid=- (Version vom 31.7.2018)