Ernst riß ihn empor, sein Intimus, ein frecher, dummer, norddeutscher Ladenschwengel, hielt ihm seinen Mantel um und setzte ihm seine Pelzkappe auf. Im Kaffeehaus dasselbe – Punsch, Thee, Grog – Grog, Thee, Punsch. Dann wanderten wir ins Restaurant zurück. Natürlich ein kräftiger Frühschoppen, aber der gab uns jetzt doch den Rest. Um die Mittagsstunde trennten wir uns mit dem erhebenden Bewußtsein – volle achtzehn Stunden durchgesoffen zu haben. Seitdem nahm mein bisher chronisches, langsames, psychisches Absterben acute Formen an. Ich lebte wie im rasenden Fieber dahin, meine Laune wurde immer sprunghafter, bald verfiel ich in die zügelloseste, tollste Ausgelassenheit, bald wieder in die dumpfste, bleiernste Schwermuth. Ich quälte mich und Ernst, der sich stets gleich blieb und mit classischer Geduld mein verrücktes Wesen ertrug. Seine Ruhe, sein Zureden, aus dem ich die aufrichtige Wahrheit der Freundschaft fühlte, wirkte unzweifelhaft wohlthätig auf mich ein. Und doch glotzte schon hohnlächelnd das Ende unsere junge, bleiche Freundschaft an.
So lebte ich fort, während in meinem Innern eine unheimliche Ruhe und Stille herrschte, ein Proceß
Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/052&oldid=- (Version vom 31.7.2018)