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erschien, war alles, der ganze Umgang mit mir. Uns beiden war die Entfremdung, die uns auseinander hielt, klar geworden, aber wir waren zu feige, uns dieselbe einzugestehen und uns das trennende Wort ins Gesicht zu sagen. So schleppten wir unsern Gefühlscadaver stets mit uns herum, statt ihn abseits irgendwo zu verscharren.

Die letzten Tage standen wir uns feindlich gegenüber, weil wir uns quälten.

Mein einstiger Freund litt, aber er verschloß sich. Er war krank, und sein Schmerz erpreßte ihm Klagen, die eine eigene, wilde Müdigkeit athmeten, ein Sehnen, ein Fürchten, ein Wünschen und doch wieder ein Kämpfen gegen den Tod. Er ließ sich sterben. Er wollte nicht mehr leben. Eine furchtbare psychische Neurose schüttelte ihn. Ein Verzweifeln am Lebenkönnen. Aber er schwieg.

Ich litt auch, bald, weil ich ihn retten, ihn wieder glücklich machen wollte – atavistische Liebesreste – bald, weil ich mich verdammte, da ich noch – immer meine Abhängigkeit von ihm fühlte, die Fesseln, welche meine erstorbene Liebe zu ihm noch immer um meine Brust schnürten.

Nein, kein Weib, keinen Freund!


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Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/095&oldid=- (Version vom 31.7.2018)