6. Der normale Geist ist atheistisch. Er führt alle Vorgänge auf frühere zurück und so ad infinitum. In seinen ethischen Handlungen läßt er sich teils durch das innerste Gefühl, teils durch das sittliche Bewußtsein, das sich allmählich konkresziert hat, leiten. Der Atheist ist der eigentliche Philosoph. Er besitzt den Schlüssel zu jener Weisheit und Freiheit, er vermag im Denken bis zu den äußersten Konsequenzen fortzuschreiten, und bei erweiterten Urteil über Leben und Tod Bestimmendes verkünden. Er kann heilig sein nur durch sich selbst und ohne jede Zeremonie, einfach deshalb, weil der die rohe und kindische Vorstellung von »Gott« vollkommen von sich fern hält.
7. Der Atheist, wenn konsequent, hat in jedem wichtigen Punkte einen Gegensatz zu dem Gläubigen zu bilden. Beispielsweise hat er die Materie ironisch und skeptisch aufzufassen und ein Feind der blinden und blöden Volksvermehrung und der Eheschließungen zu sein.
Helene von Druskowitz : Pessimistische Kardinalsätze. Herrosé Zimsen Verlag, Wittenberg o. J., Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Pessimistische_Kardinals%C3%A4tze_Druskowitz_Helene_von.djvu/10&oldid=- (Version vom 31.7.2018)