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– „Lieben Freunde! gab der Derwisch zur Antwort, ich habe Euer Kameel weder gesehen, noch etwas von ihm gehört, außer was Ihr mir gesagt habt.“ – „Eine schöne Geschichte, in der That! riefen die Kaufleute aus. Aber wo sind die Juwelen, welche einen Theil seiner Ladung ausmachten?“ – „Ich habe weder Euer Kameel, noch Eure Juwelen gesehen,“ versetzte der Derwisch. Jetzt faßten sie ihn bei dem Kragen und schleppten ihn vor den Kadi (Richter); hier durchsuchte man ihn genau, fand aber nichts bei ihm, und konnte auch keinen Aufschluß weiter von ihm erhalten; man konnte ihn weder einer falschen Aussage, noch des Diebstahls überführen. Eben war man im Begriffe, gegen den Derwisch als einen Zauberer zu verfahren, als er ganz ruhig den Gerichtshof folgendermaßen anredete: „Euer Erstaunen hat mir viel Vergnügen gemacht, und ich gestehe selbst, daß einiger Grund zu Eurem Verdachte vorhanden ist; allein ich habe lange gelebt, und mein Leben einsam zugebracht, und ich kann reichliche Veranlassung zu Beobachtungen, selbst in der Wüste, finden. Ich hatte die Spur eines Kameeles bemerkt, das seinem Eigenthümer entlaufen seyn mußte, weil ich keine Spur von einem menschlichen Fußstapfen auf dem Wege gewahr ward; ich sah, daß das Kameel auf einem Auge blind war, weil es die Kräuter bloß auf der einen Seite seines Pfades abgefressen hatte, und ich konnte aus dem schwachen Eindrucke schließen, daß es auf einem Fuße lahm sey, weil dieser fast gar nicht den Sand berührt hatte. Daß das Thier einen Zahn verloren hatte, konnte ich daraus abnehmen, daß beim Abbeißen der Pflanze in deren Mitte ein kleiner Theil unberührt geblieben war. Was nun die Ladung des Kameeles betraf, so belehrten mich die geschäftigen Ameisen, daß es auf der einen Seite Getraide, und die Schwärme von Fliegen, daß es auf der andern Honig geladen gehabt habe.“




Die Nachtigall (motacilla luscinia).

Man findet die Nachtigall in ganz Europa bis Schweden hinauf, jedoch giebt es Gegenden, wo sie nicht anzutreffen ist. In einem Theile von Frankreich, Holland, Schottland und Irland bemerkt man sie nicht; auch sieht man sie nur selten in den nördlichen und westlichen Grafschaften von England.

Die Nachtigall gehört unter die Zugvögel; sie verläßt Deutschland um den 20. August, und kehrt dahin um den 20. April zurück. Sie überwintert in Afrika und Asien, wo sie aber weder singt noch brütet. Einige Theile von Kleinasien und Persien verläßt sie gar nicht. Sie hält sich am liebsten in solchen Gebüschen auf, in deren Nähe sich Wiesen mit Bächen und Gräben und Getraidefeldern befinden. Sie verweilt meistens ihr ganzes Leben an einem Orte, und kehrt bei ihren Wanderungen jedes Mal dahin wieder zurück, wenn sie nicht besondere Störungen erleidet. Sie duldet keine andere Nachtigall in zu großer Nähe um sich, und das darauf folgende Jahr dürfen sich ihre Jungen auch nicht zu nahe bei dem Standorte der Alten niederlassen, sondern müssen in gehöriger Entfernung bleiben.

Die Nachtigallen leben theils von Insekten, theils von Beeren. Die Ersten machen ihre Hauptnahrung aus. Auch fressen sie Regenwürmer. Im Frühjahre und Herbste lassen sie sich leicht fangen; ihre Neugierde gereicht ihnen oft zum Verderben. Ihr Gang ist hüpfend und geschieht gleichsam mit abgemessenen Schritten; nach einer gewissen Anzahl derselben bleibt sie stehen, richtet den Schwanz hoch auf, bückt sich einige Male, hebt den Schwanz wieder auf, und hüpft nun erst weiter.

Durch ihre Stimme zeichnet sich die Nachtigall vor allen Vögeln aus. Kein anderer Vogel hat so viel Töne in seiner Gewalt, und keiner kann so deutlich die verschiedenen Affekte ausdrücken. Sie giebt ihren Zorn und Unwillen, ihre Eifersucht, ihre Furcht, ihre Zuneigung zu ihrem Gatten durch bedeutungsvolle Töne zu erkennen. Das sogenannte Schlagen der Nachtigall ist bloß dem Männchen eigen, und tönt so hell und stark, daß man mit Recht über die Kraft der Kehle eines so kleinen Vogels erstaunt. So viele Mühe man sich auch gegeben hat, die schöne Harmonie der Töne und die anmuthigen Abwechslungen in den Strophen durch Sylben und Wörter auszudrücken, so ist deren Beschreibung doch nicht gelungen. Bald zieht die Nachtigall zehn Minuten lang eine Strophe einzelner melancholischer und flötender Töne hin, welche leise anfangen, allmälig stärker werden, und wieder leise enden; bald schmettert sie eine Reihe gerader, scharf abgebrochener Töne mit Kraft und Schnelligkeit hervor und schließt dann mit einzelnen Tönen im aufsteigenden Akkorde. Kenner des Nachtigallengesanges unterscheiden wenigstens 24 Strophen in demselben, ohne die vielen kleinen Abwechslungen zu rechnen. Im Ganzen haben jedoch alle Nachtigallen dieselbe Melodie, allein man bemerkt doch unzählige Abänderungen, und man wird häufig gewahr, daß die eine Nachtigall die andere im Gesange übertrifft. Viele Nachtigallen schweigen am Tage, und singen vor und nach Mitternacht, oft bis zum Morgen. Man nennt diese Nachtsänger; jedoch machen sie keine besondere Art aus; denn man hört sie zu andern Zeiten auch bei Tage fleißig singen. Alle Nachtigallen stimmen nach ihrer Ankunft in den schönen Frühlingsnächten ihr Lied an, um die vorbeiziehenden, einige Tage später ankommenden Weibchen anzulocken.

Der Gesang der Nachtigallen dauert höchstens 9 bis 10 Wochen; und hört um Johannis auf, obschon die Witterung hierbei einigen Einfluß hat. Sobald die Jungen ausgekrochen sind, hört ihr Gesang fast ganz auf, weil sie für dieselben sehr zärtlich sorgen. Da jetzt der Frühling gekommen ist, so wollen wir hier die Töne des Nachtigallengesanges mittheilen, wie sie der bekannte Naturforscher Bechstein in Sylben und Wörtern ausgedrückt hat:

Ziuu, tiuu, tiuu, tiuu,
Schpe tiu tokua,
Tio, tio, tio, tio,
Kuutio, kuutiu, kuutiu, kuutiu,
Tskuo, tskuo, tskuo, tskuo,
Tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii, tsii,
Kuoror tiu. Tskua pipitskuisi
Tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso, tso tsirrhading!
Tsisi si tosi si si si si si si si
Tsorre tsorre tsorre tsorrebi;
Tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsatn, tsi.
Dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo dlo
Kuioo trrrrrrrtzt
Lu lu lu ly ly ly li li li li
Kuio didl li lulyli
Ha guur guur kui kuio!
Kuio, kuui kuui kuui kui kui kui kui
Ghi, ghi, ghi,
Gholl gholl gholl gholl ghia hududoi.
Kui tui horr ha dia dia dillhi!
Hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets, hets,
Tuarrho hostehoi
Kuia kuia kuia kuia kuia kuia kuia kuiati;

Empfohlene Zitierweise:
diverse: Das Pfennig-Magazin/Heft 2. Bossange Vater, Leipzig 1833, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_PfM_1833_05_11_nr_02.djvu/7&oldid=- (Version vom 15.5.2024)