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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

doch zuletzt ihren Zweck durchsetzen, und wenn kein Retter sich ins Mittel schlug, die Nation der Juden in wenigen Generationen gänzlich vertilgt sehen.

Woher sollte aber nun den Ebräern dieser Retter kommen? Schwerlich aus der Mitte der Egypter selbst, denn wie sollte sich einer von diesen für eine Nation verwenden, die ihm fremd war, deren Sprache er nicht einmal verstand, und sich gewiß nicht die Mühe nahm zu erlernen, die ihm eines bessern Schicksals eben so unfähig als unwürdig scheinen mußte. Aus ihrer eignen Mitte aber noch viel weniger, denn was hat die Unmenschlichkeit der Egypter im Verlauf einiger Jahrhunderte aus dem Volk der Ebräer endlich gemacht? Das roheste, das bößartigste, das verworfenste Volk der Erde, durch eine 300 jährige Vernachlässigung verwildert, durch einen so langen knechtischen Druck verzagt gemacht und erbittert, durch eine erblich auf ihm haftende Infamie vor sich selbst erniedrigt, entnervt und gelähmt zu allen heroischen Entschlüßen; durch eine solange anhaltende Dummheit endlich fast bis zum Thier herunter gestoßen. Wie sollte aus einer so verwahrloßten Menschenrasse ein freier Mann, ein erleuchteter Kopf, ein Held oder ein Staatsmann hervorgehen? Wo sollte sich ein Mann unter ihnen finden, der einem so tief verachteten Sklavenpöbel Ansehen, einem so lang gedrückten Volke Gefühl seiner selbst, einem so unwissenden rohen Hirtenhaufen Ueberlegenheit über seine verfeinerte Unterdrücker verschaffte? Unter den damaligen Ebräern

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_009.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)