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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Doch ist es begreiflich, wie dieser reine Deismus mit dem Götzendienst verträglich zusammenleben konnte, denn indem er ihn von innen stürzte, beförderte er ihn von aussen. Dieser Widerspruch der Priesterreligion und der Volksreligion wurde bey den ersten Stiftern der Mysterien durch die Nothwendigkeit entschuldigt; er schien unter zwey Uebeln das geringere zu seyn, weil mehr Hoffnung vorhanden war, die übeln Folgen der verhehlten Wahrheit, als die schädlichen Wirkungen der zur Unzeit entdeckten Wahrheit zu hemmen. Wie sich aber nach und nach unwürdige Mitglieder in den Kreis der Eingeweihten drängten, wie das Institut von seiner ersten Reinheit verlohr, so machte man das, was anfangs nur bloße Nothhilfe gewesen, nehmlich das Geheimniß, zum Zweck des Instituts, und anstatt den Aberglauben allmählig zu reinigen und das Volk zur Aufnahme der Wahrheit geschickt zu machen, suchte man seinen Vortheil darin, es immer mehr irre zu führen, und immer tiefer in den Aberglauben zu stürzen. Priesterkünste traten nun an die Stelle jener unschuldigen lautern Absichten, und eben das Institut, welches Erkenntniß des wahren und einigen Gottes erhalten, aufbewahren und mit Behutsamkeit verbreiten sollte, fing an, das kräftigste Beförderungsmittel des Gegentheils zu werden, und in eine eigentliche Schule des Götzendienstes auszuarten. Hierophanten, um die Herrschaft über die Gemüther nicht zu verliehren, und die Erwartung immer gespannt zu halten, fanden es für gut, immer länger mit dem letzten Aufschluß, der alle falschen Erwartungen auf immer aufheben

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_020.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)