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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

mußte in einem durch so viele Arbeit gehärteten Körper verwildern.

Fiel es ihm nun ein, dieses harte Schicksal mit dem glücklichen Leben des Hirten zu vergleichen, so mußte ihm diese Ungleichheit auffallen, er mußte – nach seiner sinnlichen Vorstellungsart – jenen für einen vorgezognen Günstling des Himmels halten.

Der Neid erwachte in seinem Busen, diese unglückliche Leidenschaft mußte bey der ersten Ungleichheit unter Menschen, erwachen. Mit Scheelsucht blickte er jetzt den Segen des Hirten an, der ihm ruhig gegen über im Schatten weidete, wenn ihn selbst die Sonnenhitze stach und die Arbeit ihm den Schweiß aus der Stirne preßte. Die sorglose Fröhlichkeit des Hirten that ihm wehe. Er haßte ihn wegen seines Glücks und verachtete ihn seines Müssiggangs wegen. So bewahrte er einen stillen Unwillen gegen ihn in seinem Herzen, der bey dem nächsten Anlaß in Gewaltthätigkeit ausbrechen mußte. Dieser Anlaß aber konnte nicht lange ausbleiben. Die Gerechtsame eines jeden hatte zu dieser Zeit noch keine bestimmten Grenzen, und keine Gesetze waren noch vorhanden, die das Mein und Dein auseinander gesetzt hätten. Jeder glaubte noch einen gleichen Anspruch auf die ganze Erde zu haben, denn die Vertheilung in Eigenthum sollte erst durch eintretende Collisionen herbei geführt werden. Gesetzt nun, der Hirte hatte alle Gegenden umher mit seiner Heerde abgeweidet, und fühlte doch auch keine Lust dazu,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_016.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)