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noch steckt, wie denen eines Pädagogen, eines Richters, eines Literaten…

Derartige verschwommene und leichte Gedanken, wie sie nur in einem ermüdeten, ausruhenden Hirne entstehen können, zogen Jewgenij Petrowitsch durch den Sinn; man weiß nicht, woher und wozu sie kommen, sie verweilen nur kurze Zeit und scheinen sich nur an der Oberfläche des Gehirns zu regen, ohne in seine Tiefe einzudringen. Für Menschen, die verpflichtet sind, ganze Stunden und sogar Tage amtlich und nur in einer bestimmten Richtung zu denken, sind solche freie häusliche Gedanken ein Komfort, eine angenehme Bequemlichkeit.

Es war gegen neun Uhr abends. Oben im ersten Stock ging jemand unaufhörlich auf und ab, und noch höher, im zweiten Stock spielte man vierhändig Tonleitern. Das Auf- und Abgehen des Menschen, der, nach der nervösen Gangart zu schließen, qualvoll an etwas dachte oder Zahnschmerzen hatte, und die eintönigen Tonleitern verliehen der Stille des Abends etwas Einschläferndes und stimmten zu trägen Gedanken. Zwei Zimmer weiter, im Kinderzimmer sprachen die Gouvernante und Sserjoscha.

„Der Pa – pa ist gekommen!“ sang der Junge. „Der Papa ist ge – kom – men! Pa! Pa! Pa!“

Votre père vous appelle, allez vite!“ kreischte die Gouvernante wie ein erschrockener Vogel. „Hören Sie es nicht?“

– Was soll ich ihm aber sagen? – fragte sich Jewgenij Petrowitsch.

Doch ehe er sich etwas zurechtlegen konnte, trat ins Kabinett sein Sohn, der siebenjährige Sserjoscha. Es war ein schmächtiges, blasses, gebrechliches Kind, dessen Geschlecht man

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/065&oldid=- (Version vom 31.7.2018)