„Sprechen Sie nicht so,“ sagte Olga Iwanowna, die Augen schließend. „Es ist so schrecklich. Und Dymow?“
„Was, Dymow? Warum Dymow? Was geht mich Dymow an? Die Wolga, der Mond, die Schönheit, meine Liebe, mein Entzücken, – es gibt gar keinen Dymow… Ach, ich weiß nichts… Ich brauche keine Vergangenheit, schenken Sie mir einen einzigen Augenblick… nur einen Augenblick!“
Olga Iwanowna hatte Herzklopfen. Sie wollte an ihren Mann denken, aber alles Vergangene mit der Hochzeit, mit Dymow, mit ihren Abendgesellschaften erschien ihr so klein, nichtig, trübe, überflüssig und ferne… Und in der Tat: was ist Dymow? warum Dymow? was geht sie Dymow an? Existiert er überhaupt in der Natur und ist er nicht ein Traum?
Ihm, dem einfachen und gewöhnlichen Menschen genügt auch das Glück, das er schon genossen hat, – dachte sie sich, das Gesicht mit den Händen bedeckend. – Soll man uns nur dort verurteilen und verdammen, ich will aber allen zum Trotz zugrunde gehen… Man muß im Leben alles auskosten. Mein Gott, wie unheimlich und wie schön! –
„Nun? Was?“ stammelte der Maler, sie umschlingend und ihr gierig die Hände küssend, mit denen sie ihn noch schwach zurückzustoßen versuchte. „Liebst du mich? Ja? Ja? Oh, diese Nacht! Diese herrliche Nacht!“
„Ja, diese Nacht!“ flüsterte sie, ihm in die Augen blickend, in denen Tränen schimmerten. Dann sah sie sich rasch um, umarmte ihn und küßte ihn auf den Mund.
„Das Schiff hält gleich bei Kineschma,“ sagte jemand am anderen Ende des Decks.
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/149&oldid=- (Version vom 31.7.2018)