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„Warum ist sie eigentlich ins Kloster gegangen?“ fragte der Oberst.

„Par dépit,“ antwortete Rita böse, offenbar mit einer Anspielung auf die Ehe Ssofja Lwownas mit Jagitsch. „Dieses ‚par dépit‘ ist jetzt Mode. Eine Herausforderung an die ganze Welt. Sie war so lustig, eine raffinierte Kokette, liebte nur die Bälle und ihre Kavaliere, und jetzt haben wir’s! Damit alle staunen!“

„Es ist nicht wahr,“ sagte Wolodja der Kleine, seinen Pelzkragen umlegend, so daß sein hübsches Gesicht sichtbar wurde. „Es war kein par dépit, sondern ein unsagbares Grauen. Ihren Bruder Dmitrij hat man nach Sibirien verschickt, und niemand weiß, wo er jetzt ist. Und ihre Mutter starb vor Kummer.“

Und er stülpte den Kragen wieder auf.

„Olja hat ganz recht getan,“ fügte er dumpf hinzu. „Als Pflegetochter zu leben, dazu noch mit einem solchen Goldkinde wie Ssofja Lwowna, sowas überlegt man sich erst!“

Ssofja Lwowna hörte in seiner Stimme einen verächtlichen Unterton und wollte ihm eine Frechheit sagen, sagte aber nichts. Ihrer hatte sich wieder die gleiche tolle Stimmung bemächtigt; sie stellte sich im Schlitten auf und schrie mit weinerlicher Stimme:

„Ich will zur Frühmesse! Kutscher, zurück! Ich will die Olja sehen!“

Sie wandten um. Die Klosterglocke dröhnte tief und sprach, wie es Ssofja Lwowna vorkam, von Olja und von ihrem Leben. Nun begann man auch in den anderen Kirchen zu läuten. Als der Kutscher das Dreigespann anhielt, sprang Ssofja Lwowna aus dem Schlitten und ging allein, ohne Begleiter, mit schnellen Schritten zum Klostertor.

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Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/182&oldid=- (Version vom 31.7.2018)