daß es Lisa schlechter geht, ließen sie einen Bittgottesdienst abhalten. Sie sind zwar ungebildet, fühlen aber doch mit.“
„Es sieht beinahe so aus, als ob Sie hier keinen einzigen Mann im Hause hätten,“ sagte Koroljow.
„Keinen einzigen. Pjotr Nikanorowitsch ist vor einundeinhalb Jahren gestorben, und wir sind allein geblieben. So leben wir zu dritt. Im Sommer hier, und im Winter in Moskau, auf der Poljanka. Ich bin bei ihnen schon seit elf Jahren und werde wie eine Eigene behandelt.“
Zum Abendessen gab es Sterlett, Hühnerkoteletts und Kompott; dazu teure französische Weine.
„Herr Doktor, seien Sie bitte ganz ungeniert,“ sagte Christina Dmitrijewna, essend und sich den Mund mit den Fäustchen abwischend. Es war ihr anzusehen, daß sie hier im Hause mit Wohlbehagen lebte. „Essen Sie, bitte.“
Nach dem Abendessen brachte man den Doktor in ein Zimmer, wo für ihn ein Bett bereit stand. Er wollte aber noch nicht schlafen, es war schwül und es roch nach Farbe; er zog sich den Mantel an und ging ins Freie.
Draußen war es kühl; die Morgendämmerung brach eben an, und in der feuchten Luft zeichneten sich deutlich die fünf Fabriksgebäude mit ihren hohen Kaminen, die Baracken und Schuppen ab. Des Sonntags wegen wurde nicht gearbeitet, alle Fenster waren dunkel, und nur in einem der Gebäude brannte eine Esse; zwei Fenster waren rot, und aus dem Kamin stieg zugleich mit dem Rauch zuweilen auch Feuer auf. Weit hinter dem Fabrikhofe quakten die Frösche und schlug eine Nachtigall.
Beim Anblick der Fabrikgebäude und der Baracken, in denen die Arbeiter schliefen, kamen ihm wieder die Gedanken, die ihm immer beim Anblick von Fabriken zu kommen
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)