den Bildnissen fand er kein einziges schönes, interessantes Gesicht; lauter breite Backenknochen und erstaunte Augen. Ljalikow, der Vater Lisas, hat auf dem Bilde eine niedere Stirne und ein selbstzufriedenes Gesicht; die Uniform sitzt auf seinem unförmlichen, unadligen Körper wie ein Sack; an der Brust prangt eine Medaille und ein Ehrenzeichen vom Roten Kreuz. Die Kultur ist ärmlich, der Luxus ebenso zufällig, sinnlos und unbequem wie diese Uniform; die Fußböden glänzen unerträglich, der Lüster wirkt aufreizend, und der Arzt mußte unwillkürlich an die Geschichte vom Kaufmann denken, der ins Bad mit der Medaille am Halse zu gehen pflegte.
Im Vorzimmer wurde geflüstert, jemand schnarchte leise. Plötzlich klangen aus dem Hofe scharfe, metallische Töne, wie sie Koroljow noch niemals gehört hatte und die er auch jetzt nicht begreifen konnte; sie weckten in seiner Seele einen sonderbaren, unangenehmen Widerhall.
– Ich glaube, ich würde hier um nichts in der Welt wohnen bleiben, – sagte er sich und machte sich wieder an die Noten.
„Herr Doktor, ich bitte zum Essen!“ rief ihn mit leiser Stimme die Gouvernante.
Er ging ins Eßzimmer. Auf dem großen Tisch stand eine Menge von Delikatessen und Weinen, am Abendessen nahmen aber nur zwei Personen teil: er und Christina Dmitrijewna. Sie trank Madeira, aß sehr schnell und erzählte, ihn durch ihren Zwicker anblickend:
„Die Arbeiter sind mit uns sehr zufrieden. Wir haben hier auf der Fabrik jeden Winter Theatervorstellungen, und die Arbeiter wirken selbst mit; dann gibt es Vorträge mit Lichtbildern, eine ausgezeichnete Teestube, – was kann man noch verlangen? Sie sind uns sehr zugetan, und als sie hörten,
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/203&oldid=- (Version vom 31.7.2018)