Zwölf Mal. Dann wurde alles still. Nach einer halben Minute erklang es aber am anderen Ende des Hofes:
„Drn… drn… drn…“
– Wie unangenehm! – dachte sich Koroljow.
„Schak… schak…“ ertönte es an einer dritten Stelle, abgerissen, scharf, gleichsam verärgert: „schak… schak…“
Um Mitternacht zu schlagen, brauchte man an die vier Minuten. Dann wurde alles wieder still; und wieder kam eine Stimmung, als ob alles ausgestorben wäre.
Koroljow saß noch eine Weile da, kehrte dann ins Haus zurück, legte sich aber noch lange nicht. In den anliegenden Zimmern wurde geflüstert, und er hörte das Schlürfen von Morgenschuhen und bloßen Füßen.
– Hat sie am Ende wieder einen Anfall? – fragte sich Koroljow.
Er ging hinaus, um nach der Kranken zu sehen. In den Zimmern war es schon ganz hell, und im Saal zitterte auf dem Fußboden ein schwacher Sonnenschein, der durch den Morgennebel hereindrang. Die Tür zu Lisas Zimmer stand offen, und sie selbst saß, in einen Schal und Morgenrock gehüllt und unfrisiert, in einem Sessel neben dem Bett. Die Fenstervorhänge waren heruntergelassen.
„Wie fühlen Sie sich?“
„Ich danke.“
Er befühlte ihren Puls und strich ihre Haare, die in die Stirn gefallen waren, zurück.
„Sie schlafen nicht,“ sagte er. „Draußen ist das schönste Wetter, es ist Frühling, die Nachtigallen schlagen, Sie aber sitzen im Dunkeln und grübeln über etwas.“
Sie hörte ihm zu und sah ihm ins Gesicht; ihre Augen blickten
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/208&oldid=- (Version vom 31.7.2018)