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mit Händen und Füßen arbeitend und stark schnaufend, auf der Orgel gespielt hatte. Leise, leise war dieser Ton. An das Jüngste Gericht dachte man dabei gar nicht. Aber das Wort „Sternensprache“, das die Kinder irgendwo gehört, fiel ihnen dabei ein. Vielleicht hatte der Stern, der die Hirten zum Jesuskindchen führte, auf seinen Strahlen so feine, sanfte Töne in die Weihnachtsnacht herabgesandt.

Ja, es war eine sehr schöne Orgel. Und sie war sehr alt, wie eigentlich alles auf dem Schlosse alt war. Nur die Zentralheizung war neu und die Waschtische, bei denen man bloß an Hähnen zu drehen brauchte, um kaltes oder warmes Wasser zu haben. Die hatte Großmama erst einsetzen lassen, und es war das auch etwas sehr Merkwürdiges, wie das Wasser so eilig aus der Wand herausgurgelte, und es sollte doch dasselbe Wasser sein, das oben in Großmamas Wald zwischen Farnkraut und vermodernden braunen Blättern als kleine Quelle aus der Erde sickerte – aber die Orgel mit den vielen verschiedenen Stimmen in den Pfeifen war doch noch weit geheimnisvoller.

Einmal kam ein fremder Herr aus der Stadt, der die Orgel besehen wollte, denn er schrieb ein großes Buch über alle alten Orgeln, und dabei durfte die von Großmama doch natürlich nicht fehlen. Großmama selbst führte den Herrn in die Kirche, und der alte Pastor und der alte Kantor waren auch da. Die Kinder spielten gerade im Schloßhof, aber als sie die Kirchtür offen sahen, liefen sie auch hinein. Großmama stand da in ihrem weißen Kleid, auf den Stock gestützt, dessen

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)