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übrigen Welt, schnitt ihn ab von aller Möglichkeit zu appellieren und lehrte dem Eingekreisten die Wahrheit des alten Wortes: Wehe dem, der allein ist. Der Pastor aber, dessen freundliche Augen ein Leben damit verbracht hatten, überall das Gute zu suchen und zu finden, konnte es nicht verwinden, daß jeder in jedem nicht nur den augenblicklichen Gegner, sondern das Böse an sich erblickte. Es grämte ihn im tiefsten Herzen, sein Deutschland so verleumdet und so verhaßt zu sehen, daß es selbst wieder hassen mußte, und er konnte es oft kaum fassen, daß Gott all diese Ungerechtigkeit, diese allgemeine Verbösung der Welt zuließ – und doch rettete er sich immer wieder vor den Menschen, bei denen es keine Unparteilichkeit mehr gab, zu Gott, dem höchsten Richter.

Großmama staunte weit weniger über das, was Wort und Feder, eifersüchtig auf das Verheerungswerk von Schwert und Feuer, ihrerseits zerstörten, und sie wunderte sich nicht gar so sehr über den grimmen Haß, der allerwärts auflohte wie ein seit langem glimmendes, nur mühsam unterdrücktes Feuer, dessen flackerndes Flammenlicht nun alles entstellte. Zu oft ja hatte sie in ihrem langen Leben an den Schicksalen Einzelner beobachten können, wie sich der Neid besonders gern an jede durch irgendeine Eigenschaft plötzlich neu hervorragende Menschengestalt heftet, deren Bedeutung eine noch nicht ganz in die allgemeine Gewöhnung übergegangene ist und die daher noch bestritten werden kann. Gegen solche Wesen hatte Großmama den Neid arbeiten sehen mit seiner unheimlichen Waffe, der Verdächtigung.

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)