entschwunden waren – und nicht mehr ein jauchzend junger Kriegsgott schien die grauen Scharen zu führen, sondern es war, als schritte ein ernster Todesengel ihnen voran.
Traf Großmama solche ausrückenden Truppen, so steckte sie hastig den begleitenden Frauen von den Zigarren zu, die sie immer für solche Fälle bei sich führte, und dann faltete sie unwillkürlich die Hände. Ein Bedürfnis war es ihr, jedem, der so fortzog, etwas zu schenken, ein Bedürfnis, ihn dem Schutz höchster Macht zu empfehlen. Dabei mußte sie aber doch jedesmal dem Gedanken nachsinnen, daß, obschon für jeden einzelnen Ausziehenden sicher wenigstens einer daheim in banger Sorge betete, es ja unmöglich war, daß alle zurückkehrten. Viele dieser Gebete waren voranbestimmt, unerhört zu bleiben. Vielleicht die allerheißesten. Diese Auswahl wurde wohl nach Erwägungen getroffen, die hoch über aller Beeinflussung durch menschliches Bitten standen. Aber trotz solcher Erkenntnis war doch im selben Augenblick jedesmal der leidenschaftliche Wunsch in Großmama, daß jene beiden, die sie selbst noch draußen hatte und um die sie betete, unter den Berufenen zu den Auserwählten gehören möchten, die einst wiederkehren würden.
In der kleinen Kirche, die dicht neben Großmamas Hotel, zwischen all den ragenden Neubauten, als ein Überbleibsel aus alter Zeit bescheiden stand, ließ sich auch mancher Wandel beobachten, den die Not der Zeit geschaffen. Von den altgewohnten Besuchern, die ihre festen Plätze hatten und unter denen manche Großmama
Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)