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seelischer Wesenskern, dem jede äußere Gestaltung nur gleichsam eine vorübergehende Verzauberung war, auch der wirkte sicherlich irgendwo weiter.

Der alte Pastor besuchte Großmama gerade an dem Tage, wo all die metallenen Geräte zusammengetragen wurden. „Bisher ist nur Kupfer und Messing verlangt worden,“ sagte er, „aber ich hörte, daß nächstens auch die Bestände an Orgelpfeifen aufgenommen werden sollen, wenn auch noch nicht zu unmittelbarer Ablieferung.“ Großmama antwortete nicht. Bei des Pastors Worten war sie ganz in Erinnern versunken. Sie entsann sich, wie einst vor Jahren der gelehrte Professor ihre Orgel besehen hatte, um sie in seinem Buch zu beschreiben, und sie sah wieder die Sonne jenes fernen Tages, wie sie in die Kirche schien und die drei Enkel in ihrem Lichte standen. Ihre Orgelpfeifen hatte sie da die Knaben genannt und sie nach Größe und Alter aufgestellt. Damals hatte noch keiner in der Reihe gefehlt.

Der Frühling brachte weitere Neuerungen. Soviele Männer waren allmählich eingezogen worden, soviele Frauen in die neu errichteten Kriegswerkstätten gegangen, daß es überall auf dem Lande an Arbeitskräften fehlte. Und doch war nie noch die Bestellung von solcher Wichtigkeit gewesen, denn vom Ertrag der Ernte hing letzten Endes ja der Krieg selbst ab. So wurden denn Kriegsgefangene als Ersatzleute an die Landwirte verteilt. Und Großmamas alter Inspektor bekam für die Feldarbeit strohblonde, blauäugige Russen mit stark hervortretenden Backenknochen, die sich durch ihre militärischen Mützen mit den gelben Streifen, sonst

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)