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hinaus, wo um die verwitterten Steinfiguren all die Sommerblumen blühten, gleich Wiedergekehrten des vorigen Jahres, blickte hinab in das Tal, wo eine neue Ernte reifte und die Bäume voller Früchte hingen. Aber nachdem sie eine Weile auf die heimatliche Landschaft sinnend geschaut, griff sie noch einmal zur Feder, und unter die fertige Anzeige setzte sie mit fester Hand die Worte: „Gib uns, o Gott, dereinst einen Frieden, würdig dem Sinn und Geiste derer, die sich für ihn geopfert.“ Sie hatte das unter keiner der unzähligen Todesanzeigen gelesen, die der Krieg bisher gebracht, und doch fühlte sie, daß es unter jeder einzelnen hätte stehen sollen, weil es gerade das war, woran allein Millionen der Trauernden sich aufzurichten vermochten, das, was Tausende der Gefallenen sicherlich noch in ihren letzten Augenblicken gewünscht haben mußten. Von den eignen drei Enkeln wußte Großmama es ganz genau. Denen war die Heimat, war Deutschland wirklich über alles gegangen, weit über die eigenen, jungen Leben. Sie erinnerte sich, wie die drei, am Abend vor dem Kriegsbeginn, dort an der Mauer des Gartens noch einmal gestanden und hinausgeschaut hatten auf ihr gesegnetes Tal. Ein leiser Lufthauch kam jetzt wehend aus der Ferne, als trüge er auf seinen Schwingen die damaligen Gedanken jener nun Entschwundenen: was liegt an uns, die Heimat nur darf nicht Schaden nehmen. Aber nicht nur unbeschädigt und ungemindert mußte das Heimatland bleiben, wenn auch dies schon ein Wunder war den Übermächten gegenüber, nein, es mußte aus dem

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/72&oldid=- (Version vom 31.7.2018)