„Inwiefern diese Ansicht mit Ihrer Theologia übereinstimmt oder von ihr abweicht, verstehe ich nicht zu beurtheilen, Herr Pastor – aber mir däucht ich lese Mißfallen in Ihrer Miene. Weshalb Du jedoch Dich grämst, Miezchen, ist mir ganz unbegreiflich! ich finde die Gesinnungen Deiner Schwester recht sehr erbaulich, so gewiß ernst und klar, was für Euch Frauen höchst wünschenswerth ist. Ob sie nun Christum im Munde führt oder nicht – darauf kommt es ja gar nicht an. Sie sagt, sie trüge ihn in ihrer Seele; weshalb willst Du ihr denn das nicht glauben?“
„Wäre Christus in ihrem Herzen, so würde es ihr ein Bedürfniß und eine Wonne sein Ihn mit den Lippen zu bekennen, rief Aurora, so würde sie die Kraft, die Ruhe, die Klarheit deren sie sich rühmt, als eine Ueberfülle Seiner lautern Gnade – sich selbst aber in ihrer ohnmächtigen Sündhaftigkeit erkennen und reuevoll an ihre Brust schlagen. Aber sie hat keinen Glauben, und die arme Seele wird verloren gehen.“
„Verloren gehen? Larifari, Miezchen! wohin soll sie sich denn verlieren? Was einmal in Gottes Schöpfung drin ist, das kommt nicht wieder heraus. Könnte Gott etwas verlieren, eine Seele oder sonst etwas, so wär' er ja nicht allmächtig.
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Zweiter Band. Berlin 1845, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn)_v_2.djvu/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)