Er hatte sehr früh geheiratet, aus Eigensinn mehr denn aus Liebe; zu früh und unglücklich, das sagte er sich selbst schon nach einigen Jahren. Aber er sagte es ganz leise. Was konnte sie dafür, daß Frauen so schnell altern, geistig, daß ihr Wachstum überraschend bald aufhört, und daß sie dann, ein armselig Zwitterding, durchs Leben gehen? Kindisch in allen höchsten Dingen; ganz kalter Weltverstand, sobald der Mann an ihrer Seite einen Schwung wagen möchte. – Er fühlte, daß er weiterwachsen mußte seiner Natur nach, und daß sie es ihm erschwerte, und seine Augen wurden schwach über dem Anblick der eisernen Pflicht, sie fingen an, hinauszuspähen, zu suchen.
In einem großen Schmerz, der ihn betroffen, als Pflegerin, Trösterin, hätte die erstarrte Seele seiner Gattin vielleicht wieder weich und flüssig werden können; aber die Probe blieb erspart, es ging Jahr auf Jahr weiter ohne besonderes Unglück. Es waren auch keine Kinder da, die durch ihr Leben oder Sterben ein Bindeglied gebildet hätten.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/135&oldid=- (Version vom 31.7.2018)