dann nach kurzem gespannten Hineinblicken faltete sie es zusammen und legte es auf den Schreibtisch. „Und das erregt dich so?“ sagte sie in kalt verwundertem Ton und blickte auf den trostlos Zusammengesunkenen, der zitterte, als ob ein Fieber ihn schüttele. „Also auch eine von deinen Flammen? Nein, fahre nicht auf! Ich hab es übrigens längst gewußt. All diese Briefe, diese Zusammenkünfte in ästhetischen Gesellschaften, – schade, daß ich sie nie gesehen, es wäre mir doch interessant gewesen! War sie sehr verliebt in dich?“ Und als er gar nicht antwortete: „Nun, du wirst nicht erwarten, daß ich wegen dieses Todesfalls Trauer anlege!“
„Aber ich!“ rief er, und Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, wie er emporfuhr. „Bleibe noch, höre !Ich gehe zu ihrem Begräbnis, nichts soll mich abhalten, auch du nicht!“ Er schrie immer lauter, immer wilder.
„Tue, was du willst,“ sagte sie verächtlich und schlug krachend die Tür zu.
„Und um diese Frau hab ich mein Glück versäumt!“ jammerte der Unglückliche.
Abends ward er vergeblich zum Tee gerufen, das Studierzimmer fand sich leer. „Der gnädige Herr ist noch nicht zurück seit Nachmittag,“ meldete das Mädchen mit jener Horchermiene, welche Dienstboten in Familien annehmen, wo es ‚nicht klappt‘.
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/139&oldid=- (Version vom 31.7.2018)