können, – er würde sich vielleicht über sein Verschwinden freuen – und sie meinte, das könne sie nicht gut mit ansehen. Der arme feine Herr war ihr so gut gewesen. Er hatte ihr Worte gesagt, wie noch kein Mensch, und wie er sie geküßt hatte! Recht zum Totlachen! Wenn das ihr Mann gewußt hätte! Und so feine Stiefel hatte er getragen und so goldene Hemdknöpfchen, und immer was Frisches im Knopfloch. Ach, die Blumen in seiner Wohnung, die sahen elend aus! Sie hatte oft hinaufkucken müssen, wenn sie vorbeiging, und ihre guten Augen erkannten deutlich, daß alles verwelkt und erfroren war. Nur eine große Kalla stand noch grün und trug sogar eine ihrer seltsamen schlanken weißen Blumen in der verkommenen Gesellschaft. Von dieser Blume träumte ihr. Gesa kniete auf einem Grabe, und eine Stimme sprach heraus: „De Dod löppt öwer min Graf“; und als sie sich in Angst gebadet umsah, kam die weiße Kalla hergeschritten und stellte sich auf den Hügel. Sie hatte aber ein Gesicht, und das war so gräßlich, daß Gesa mit einem rettenden Schrei erwachte. Was für ein Gesicht? Sie versuchte, als sie wach war, es sich noch einmal vorzustellen, aber sowie sie nur einen Schimmer davon erhaschte, hielt sie sich die Augen zu und hätte beinah wieder aufgeschrieen. Vor Male, die sich oft vertraulich an sie drängte,
Ilse Frapan-Akunian: Zwischen Elbe und Alster. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin, Leipzig 1908, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwischen_Elbe_und_Alster_Frapan_Ilse.djvu/221&oldid=- (Version vom 31.7.2018)