Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/142

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Siebenzehntes Kapitel.




Eines Tages, als wir alle beim Thee waren, trat auf einmal Signora P. mit ihrer grinsenden Höflichkeit herein; ihre Erscheinung war so unverhofft, daß ich an der Identität ihrer Person gezweifelt haben würde, wenn mich nicht ihr großer schwarzer Schnurrbart davon überzeugt hätte. Ich war blos erstaunt, aber wahrhaft komisch war der elektrische Schlag, den meine Erscheinung auf die P. hervorbrachte, denn es mochte ihr bekannt worden sein, daß ich die Verkuppelung ihrer Nichte erfahren hatte. Die Bekanntschaft, die sie in der letzten Zeit unseres Beisammenseins mit den inneren Angelegenheiten meines Koffers gemacht hatte, konnte mir natürlich auch nicht für immer Geheimniß geblieben sein. Sie ward von den Damen auf das freundschaftlichste bewillkommnet, ich blieb jedoch sehr kalt gegen sie. Die Damen hatten italienischen Unterricht bei ihr gehabt, und sie versuchte jetzt ihre ganze Suada, um sie zur Fortsetzung desselben zu bewegen; jene aber lehnten ihn mit der Bemerkung ab, daß sie sich mit mir im Italienischen übten. Als sie sich entfernte, schoß sie einen grünfunkelnden Blick auf mich, der mir unzweifelhaft sagte, daß sie nichts unversucht lassen werde, mir zu schaden. Dieses Zusammentreffen war mir aus dem Grunde höchst unangenehm, weil mir Frau E. gerathen hatte, nie meines Aufenthaltes im Hause der Lady Georgiana N. zu erwähnen, und ich diesem Rathe gefolgt war. Ich hatte daher der Lady W. auf ihre Frage geantwortet, daß ich fünf Jahre in England sei, was eine logische Wahrheit war, denn wo zehn sind, da sind fünf. Indeß konnte es mir doch mißdeutet werden. Ich hatte gehört, daß die P. auch bei Lord C. unterrichtete, und sah voraus, wie sie meinen Ruf untergraben würde, zur äußersten Genugthuung der neidischen Fräulein G. Demungeachtet und vielleicht gerade deshalb widerstrebte mein Inneres dem Gedanken, dieses Weib zu enthüllen, und ich würde gewiß geschwiegen haben, hätten nicht die Damen mein Erstaunen und ihren Schreck bemerkt gehabt, so daß sie mich fragten, woher ich die Signora kenne? Jetzt war ich gezwungen, die Wahrheit zu sagen, wenn ich nicht selbst verdächtig werden wollte, wies die Damen jedoch an Madame N., bei der sie sich erkundigen konnten. Und hier ist der Augenblick gekommen,