Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/143

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wo ich meine Leser mit diesen beiden Frauen ein wenig näher bekannt machen muß, was früher nicht geschehen konnte, weil sie erst jetzt in das Interesse der Handlung herein gezogen werden. Bei meinem Bruche mit Lady N. lud mich Signora P. ein, bis zu meiner Abreise nach St… ihr Quartier mit zu bewohnen, um ihre aus Italien angekommene Nichte einige neue Arbeiten zu lehren. Als ich dort ankam, war die Signora noch nicht von ihren Geschäften zurückgekehrt, sondern blos ihre Schwester anwesend, die sofort eine höchst seltsame Unterredung mit mir begann. Sie erzählte nämlich mir, der Fremden, daß die Signora sie mit ihrer Tochter nur deshalb aus Italien habe kommen lassen, um das junge schöne Mädchen zu verkuppeln und schändlichsten Wucher mit ihr zu treiben; überhaupt aber wisse sie von ihrer Schwester Schandthaten, welche eine solche Handlungsweise an ihr als ganz in der Ordnung erscheinen ließen. Schließlich bat sie mich um fünf Pfund, mit welchen sie ihre Rückreise nach Italien machen wolle.

Ich wußte nicht, ob ich mich mehr über die Mittheilung oder über die Zumuthung dieser mir völlig fremden Person verwundern sollte; es blieb mir nichts übrig, als sie meines Mitleides wie meines Unvermögens zu versichern, womit sie jedoch keineswegs zufrieden schien. Da ich eingeladen war, den Abend bei Miß Ch. zu verbringen, so verließ ich jetzt diese Damen, nicht ohne eine große Erleichterung zu verspüren. Zu meiner Verwunderung behandelte mich Signora P. gleich ihrer Schwester und Nichte am nächsten Morgen mit der beleidigendsten Kälte, ohne auf meine Frage nach dem Warum eine Antwort zu geben. Ich schob es auf Lady Georgiana’s Hetzereien, weil diese wußte, daß Signora P. meine einzige Bekannte war, die mir den Aufenthalt in London ermöglichen konnte; bald jedoch sollte ich den thatsächlichen Beweis von dem Ungrunde dieser Vermuthung empfangen. Am Tage nach meiner Ankunft in E… fand ich zu meiner Bestürzung, als ich meinen Koffer auspackte, daß ich während meines Aufenthaltes bei der P. um meine werthvollsten Sachen bestohlen worden war, und ich begriff jetzt das Motiv jener Behandlungsweise, das natürlich in dem Wunsche bestand, mich möglichst schnell von London zu entfernen. Zu spät begriff ich nun auch den wahren Beweggrund jener Einladung der edeln Tochter Roms, bei ihr bis zu meiner Abreise zu wohnen. Man wird nun ihren heutigen Schreck motivirt finden.