Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/167

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„Da bist Du ja, Oheim, rief der Knabe einem Herrn in den Dreißigen mit treuherzigem, intelligentem Gesicht, dunklen Augen, Bart und Haaren zu. Dieses ist eine deutsche Dame und so gut und freundlich gegen mich gewesen,“ fuhr das Kind fort. Der Oheim schien nicht weniger überrascht als der Neffe, grüßte mich mit Herzlichkeit und dankte mir für meinen Beistand. Er richtete hierauf die gewöhnlichen Fragen der Passagiere an mich, die ich ihm gern beantwortete, denn man freut sich immer, in der Fremde einen Landsmann zu treffen, man fühlt sich gleich angeheimelt, denn des Deutschen Vaterland reicht so weit die deutsche Sprache schallt, sagt Körner.

Herr H. erzählte mir hierauf, was ich schon wußte, daß er in Spanien sehr viel Glück und bedeutendes Vermögen gemacht, jetzt gehofft habe, in seiner Heimath eine Lebensgefährtin zu finden, daß die Mädchen jedoch zu ungebildet gewesen, so daß er sich nicht habe entschließen können, eines davon zur Frau zu nehmen.

Er machte mir nach diesen Worten ein leicht zu errathendes Compliment, ich verneigte mich und schloß mich Mistreß St. an, welche sich eben mit einer Dame unterhielt. Da das Meer spiegelglatt war, erschienen alle Reisende an der Tafel; Herr H., welcher sich neben mir gesetzt hatte, bemühete sich, mir die Reize und Schönheiten Spaniens, speziell aber die der Stadt Vigo, wo er etablirt und ansässig war, anschaulich zu machen, und konnte die Liebenswürdigkeit der Spanier gegen Ausländer nicht genug rühmen. Er war viel gereist, hatte sich lange in England aufgehalten, und seine Vorliebe für Spanien konnte daher mit Recht als ein zuverlässiges Urtheil für dieses begabte Land gelten. Mir gegenüber saßen jene Dandys, deren einer ein langer Blondin mit großer Glatze Namens E. war, der andere ein kurzstämmiger Mensch mit breitem gemeinem Gesicht, den jener I. nannte. Beide fuhren fort, mich mit Blicken und Fragen zu langweilen, so daß ich mich des Gähnens nicht enthalten konnte. Sie suchten dadurch schließlich zu imponiren, daß sie die ganze Gesellschaft mit Champagner tractirten; ich weiß nicht, in wie weit ihnen dies bei anderen gelang, ich meinerseits machte keinen Gebrauch von ihrer Generosität.

Nach Tische gingen alle wieder auf Deck, da sich aber Mistreß St. früh zur Ruhe begab, legte auch ich mich zeitig nieder, herzlich froh, aus dem Gewühle der Außenwelt in mein Inneres zu flüchten. Hier las ich noch beim Scheine der Lampe v. T.’s letzten Brief, den ich