Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/166

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auf den Grund der Wahrheit zu kommen, beschloß ich, ganz im Geheimen nachzuforschen, und hatte deshalb meinem Bräutigam nichts von meiner bevorstehenden Reise geschrieben. So sehr ich mich auch bemühete, Licht und Klarheit in meine Pläne zu bringen, so bang und ahnungsschwer blieb meine Seele.

„Kennen Sie jene beiden Stutzer?“ unterbrach Mistr. St. mein Nachdenken, indem sie nach zwei jungen Männern hinblickte, welche in einer kleinen Entfernung uns mit ihren Lorgnetten fixirten.

„Nicht im Geringsten, erwiederte ich und hoffe auch nicht, mit ihnen in Collision zu kommen, denn sie sind zu debraillirt und affectirt für Leute von Bildung.“

„Sehr wahr, versetzte Mistr. St., es sind wahrscheinlich Glücksritter oder Schurfer, die auf alles wetten. Nehmen Sie sich in Acht, denn offenbar handelt es sich gegenwärtig um Sie.“

„Ich hoffe sie in Schach zu halten.“

Wir begaben uns bald darauf in den Salon, um einige Erfrischungen zu genießen, und sahen zugleich die schöne Insel Wight an uns vorübergleiten.

„Ach Gott, ach Gott, wenn nur der Onkel käme!“ stöhnte ein Knabe von ungefähr zehn Jahren, welcher auf dem Sopha lag.

Erstaunt, einen kleinen Landsmann in See zu treffen, fragte ich ihn: „Was willst Du denn, Kleiner? Was fehlt Dir, Kind?“

„Mir ist so schlecht geworden, daß ich wohl sterben werde,“ sagte er in einem jämmerlichen Tone.

Ich ließ ihm ein Glas Branntwein mit heißem Wasser geben und bat den Schiffsverwalter, ihn auf sein Bett zu legen, was derselbe gleich that. Nach einer Viertelstunde fand ich den Kranken ganz munter. Er wurde jetzt ganz gesprächig und legte seine Freude, eine Landsmännin gefunden zu haben, auf die naivste Weise an den Tag. Auf meine Frage, woher er sei, erwiederte er, er sei aus Guttenberg in Böhmen, die Mutter sei Wittwe und lebe beim Großvater, der Oekonom sei; der Bruder seiner Mutter, der schon seit zehn Jahren in Spanien als Kaufmann etablirt sei, habe seine Familie besucht und ihn mitgenommen, um ihn zu erziehen, und sei der beste Mann in der Welt. Ich weiß nicht, wie lange der Knabe so fortgefahren hätte, wenn nicht sein Onkel in dem Augenblicke eingetreten und auf uns rasch zugegangen wäre.